Gibt es eine Sauerteigkrise???

Jeder redet vom Brotbacken und wie simpel das alles ist. Und, wenn man es zum ersten Mal ausprobiert, ist doch alles ganz anders....

Über Brot zu schreiben ist eine Sache. Brot selber zu machen ist eine ganz andere. Diese Erfahrung mussten auch wir machen. Denn eigentlich sind es nur zwei Urgewalten - Mehl und Wasser - die es zusammenzufügen gilt und schon hat man sein erstes eigenes Brot parat, oder?? Wir geben es zu: Unsere ersten Eigenversuche rund um das Brotbacken waren nicht sofort von Erfolg gekrönt. Und wie sieht das bei Ihnen aus?

Aber von Beginn an. Es klingt ja sehr einfach: Man nehme bestes Bio-Roggenmehl und die gleiche Menge lauwarmes Wasser. Am besten ist es, mit der Einheit 100 zu arbeiten. Also 100 Gramm Mehl und 100 Milliliter Wasser. Dies verrühre man miteinander und lasse es etwa 24 Stunden bei Zimmertemperatur stehen. Dazwischen soll ein Mal umgerührt werden. Nach Ablauf eines Tages fügt man seinem Sauerteigansatz weitere 100 Gramm Mehl und 100 Milliliter Wasser hinzu, verrührt das Ganze und deckt es wieder zu. Erneut lässt man die Masse einen Tag rasten und rührt zwischendurch um. So geht es genau drei Tage weiter. In dieser Zeit beginnt der Sauerteig sein eigenes Leben. Mal kann es blubbern, unter Umständen variiert seine Farbe von zart hellbraun bis stellenweise dunkel (daher an das Durchrühren denken!) , sein Geruch umfängt die Nase von saftig und säuerlich bis minimal fruchtig-stichig, seine Konsistenz ist weich, eventuell etwas klebrig, kompakt im Körper, an der Oberfläche unter Umständen leicht flüssig. Nach insgesamt fünf Tagen ist im Idealfall rund ein Kilogramm Roggensauerteig fertig. Ab jetzt kann die private Brotbackstube angeworfen werden - und köstliche Sauerteigbrote dürfen im heimischen Backrohr gebacken werden. Klingt einleuchtend.

Aber halt. Ganz so simpel war es bei uns dann doch nicht. Warum? Wieso? Vielleicht stoßen Sie - so wie wir einst als Anfänger - doch auf das eine oder andere Problem. Daher haben wir die Themen, die in den ersten Anläufen zur Herstellung eines eigenen Sauerteiges unsere größten Fragezeichen waren, für Sie zusammengefasst. Möge unserer Erfahrungsschatz Sie vor ähnlichen Erfahrungen schützen.

Problem 1: Der Sauerteig "verlässt" nach einiger Zeit die Rührschüssel und "quillt über" - was soll man tun?

Lösung: Eigentlich ist es ein absolut positives Zeichen, wenn sich Ihr Sauerteig so sauwohl fühlt, dass er es Ihnen mit einer unglaublichen Ausweitung seines Volumens dankt :-) Als Anfänger gerät man dabei aber kurzfristig in Panik und weiß nicht, was genau los ist. Muss ich etwas tun und, wenn ja, was? Am besten ruhig bleiben und dem Sauerteig behutsam ein neues Zuhause geben, das heißt alles, was von ihm zu retten ist, in einem größeren Gefäß oder Behältnis unterbringen. Sollte dabei ein wenig "Ausschuss" auf der Strecke bleiben - egal, machen Sie trotzdem in Summe fünf Tage lang gemäß der Formel 100 Gramm Mehl - 100 Milliliter Wasser weiter. Und: Unterschätzen Sie niemals das Volumen, das gesunder, lebendiger Sauerteig annehmen kann. Daher sollte man sicherheitshalber immer größere Rührschüsseln zur Hand nehmen. Check. 

Problem 2: Der Sauerteig blieb nach der Fertigstellung noch einige Tage bei Zimmertemperatur stehen (man hatte eben kurzfristig Stress, etc.etc.). Das kann doch nichts ausmachen, oder?

Lösung: Leider doch. Zumindest bei uns passierte es: Unser fertiger Sauerteig, der gerade erst zu leben begonnen hatte, "vertschüsste" sich. Er schimmelte und zeigte einen schwarzen Pelz :-( In solch einer Situation (oder wenn er durch mehrtägiges Stehen abstoßend riecht, zum Beispiel verdorben oder ekelerregend nach Aceton) heißt es leider den Sauerteig zu entsorgen, neuen Mut zu fassen und wieder bei Tag 1 zu beginnen, das heißt einen neuen Sauerteig anzusetzen. Die wenigsten Insider verraten einem nämlich, dass dieser Ansatz (manche nennen es auch Anstellgut oder, in der österreichischen Umgangssprache, Ura) für die Zukunft in einem luftdichtverschlossenen Gefäß im Kühlschrank aufbewahrt werden soll (ein sauberes Marmeladeglas genügt). Nur jener Teil des Sauerteiges, den man direkt zum Backen und zur Herstellung seines Brotes benötigt, wird entnommen. Der Rest schlummert gut verschlossen vor störenden äußeren Einflüssen und Gerüchen in einer Schublade oder einem Fach des Kühlschranks und lebt somit weiter.

Problem 3: Oh Gott, ein Kilogramm Sauerteig. Was soll man denn nun damit machen?

Lösung: Gratulation, freuen Sie sich! Sie haben ein unglaublich wertvolles L-e-b-e-n-s-m-i-t-t-e-l aus eigener Anstrengung, mit den eigenen Händen, mit der Kraft der Natur geschaffen! Etwas Ursprünglicheres und Gesünderes gibt es gar nicht! Keine Konservierungsmittel, keine Geschmacksverstärker, keine Backtriebmittel - rein gar nichts. Damit Sie für die Zukunft immer einen Anstellgut haben, müssen Sie rund 100 Gramm des fertigen Sauerteiges wie gerade oben beschrieben in einem luftdicht verschlossenen Gefäß im Kühlschrank aufbewahren. Der Rest steht bereit, zu Ihrem ersten eigenen Sauerteigbrot verarbeitet zu werden. Sie können aber auch mehrere Teile des Ansatzes auf diese Weise für zukünftige Backorgien aufbewahren, einen Teil an backinteressierte Freunde oder Bekannte weitergeben oder einfach gleich mehr als ein Brot daraus backen. In den meisten Rezepten, die Sie in Büchern oder Blogs rund um das Thema Backen mit Sauerteig finden, werden übrigens meist nur einige hundert Gramm Sauerteig benötigt, sodass Sie mit dieser Grundmenge schon einmal mehr als eine gute Ausgangsposition und reichlich "Stoff" für eine Vielzahl an köstlichen Sauerteigbroten haben.

Problem 4: Es sind nur 100 Gramm Anstellgut im Kühlschrank. Dann ist ja nach dem nächsten Backen kein Sauerteigansatz mehr übrig! Sollte es nicht so sein, dass man ab jetzt Sauerteig für immer hat?

Lösung: Bis wir die Logik kapierten, wie ein Sauerteig quasi ewig "weiterlebt", hat es ein wenig gedauert. Erstaunt vernahmen wir immer nur, wie Backfreaks von ihren mehrere Jahre alten Sauerteigen berichteten. Ihnen wird es aber auch gleich wie Schuppen von den Augen fallen, versprochen. Wann immer Sie die nächste Backsession planen, heißt es circa eineinhalb Tage vorher aktiv zu werden - was Sie jetzt nämlich tun müssen, ist das so genannte "Anfüttern". Nehmen Sie dafür Ihr Anstellgut aus dem Kühlschrank, geben es in eine hinreichend große Rührschüssel und fügen Sie, wie von den Anfängen bekannt, 100 Gramm Mehl und 100 Milliliter laumwarmes Wasser hinzu. Nach dem üblichen Durchrühren soll der Teig mehrere Stunden (wir machen meist einen halben Tag daraus) zugedeckt ruhen. Nach dieser Zeit werden wieder 100 Gramm Mehl und 100 Milliliter Wasser ergänzt, gemischt und erneut rasten gelassen. Schließlich werden ein letztes Mal 100 Gramm Mehl und 100 Milliliter Wasser eingerührt und nach mindestens sechs Stunden, ist der Teig bereit. Und genau hier kommt nun die Auflösung: Nehmen Sie gute 100 Gramm der Masse ab, um sie luftdichtverschlossen für zukünftige Backvorhaben aufzubewahren - das ist Ihr zukünftiges Anstellgut. So lebt Ihr ursprünglicher Sauerteig weiter, und beim nächsten Mal wieder weiter, und dann wieder weiter, und so fort. Der restliche Ansatz kann nun in einem neuen Sauerteigbrot verbacken werden.

Problem 5: Immer nur Roggensauerteigbrote? Das ist langweilig. Wie geht das denn mit anderen Mehlen?

Lösung: Genau so wie wir Ihnen die Herstellung des Roggensauerteiges beschrieben haben, klappt das Ganze auch ganz ohne weiteres mit Weizenmehl. Auch daraus lässt sich ein passables Anstellgut nach der Fünf-Tage-Methode herstellen, von dem immer ein Teil im Kühlschrank der Dinge harrt und der große, restliche Teil zu einem köstlichen Weizensauerteigbrot verarbeitet wird. Mit anderen Mehlen kann man sicherlich eigene Versuche starten, wir empfehlen aber, als Basis in Brotbackrezepten entweder Roggen- oder Weizensauerteig heranzuziehen und beim sonstigen Mehl, das man hinzufügt, einfach zu variieren. So kann man getrost zu seinem Lieblingsmehl greifen, egal ob es Dinkel, Gerste, Hafer, Emmer, Kichererbsen, Reis oder sonst ein Mehl ist.

So weit, so klar? Es ist sicherlich noch kein Sauerteigmeister vom Himmel gefallen, aber in eine Sauerteigkrise müssen Sie keinesfalls rutschen, wenn anfangs einmal etwas schief geht. Nicht unterkriegen lassen, unsere Tipps zur Hand nehmen und mutig weitermachen. Irgendwann gehen Ihnen diese Basics in Fleisch und Blut über und Sie werden ein wunderbares Sauerteigbrot nach dem anderen herstellen - und das Angebot an Industriebrot im Handel nie mehr vermissen. Versprochen.

Demnächst stellen wir Ihnen hier unsere drei absoluten Lieblings-Sauerteigbrote vor und verraten auch gerne die passenden Rezepte dazu. Bleiben Sie dran!

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